herzsichtig bringt die Bedeutungsspektren des Herzens und des Sehens zusammen. Mein dialogisch ausgerichteter und ganzheitlich orientierter philosophischer Ansatz veranschaulicht die Ebenen der leiblichen, emotionalen, mentalen, kausalen und spirituellen Bedeutung des Herzens. herzsichtig lädt zu einer Sichterweiterung und zu einer Sinnesweitung ein.
Themen rund um Herz und Sehen gehören dem Bereich der Herzensbildung an. In puncto Herzensbildung kann im Allgemeinen gesagt werden, dass sie fehlt: Sie gehört nicht zur Allgemeinbildung. Ihre Bedeutung wird verkannt, oft wird sie verkürzt mit emotionaler Intelligenz gleichgesetzt. Schlimmer noch: Ihr Synonym im Duden ist die Höflichkeit. Fehlende Herzensbildung führt zur Verrohung des Menschen und zur Verkümmerung wertvoller Fähigkeiten. Der Mangel kann nicht allein durch die Förderung der emotionalen Fähigkeiten behoben werden. Die Herzensbildung des 21. Jahrhunderts muss die Ebenen der Persönlichkeitsbildung, Gesundheitsbildung und Allgemeinbildung verbinden.
Was heißt ›Sehen mit dem Herzen‹? Was bedeutet ›herzsichtig‹ sein für Dich? Was und wie siehst Du mit Deinem Herzen? Jugendliche beantworten diese Fragen in der Anthologie herzsichtig?! Das Buch ist ein Beitrag zur Herzensbildung und enthält die Gewinnertexte zum gleichnamigen philosophischen Schreibwettbewerb, den ich 2013 mit dem Verein homo cordis ausgeschrieben habe.
Das sehende Herz wird in den Texten der jungen Menschen immer wieder als Erkenntnis- und Wahrnehmungsorgan beschrieben. ›Sehen‹ bedeutet in diesem Kontext fühlen, spüren, wahrnehmen, verstehen, begreifen, erkennen. Das Sehen mit dem Herzen kann, wie die Jugendlichen festhalten, eine Gabe, aber auch eine Fähigkeit sein, die erlernt werden kann: Herzsichtigkeit als Appell, als Ziel, als ›anzustrebender Zustand‹ ― trotz des Wissens, dass der Weg, bis sich eine ›unbezwingbare Liebe‹ in einem auftut, steinig und schmerzhaft sein kann. Herzsichtigkeit verlangt dem Menschen eine Offenheit ab. Das offene Herz wird vielfach als die entscheidende Voraussetzung genannt, um klar zu sehen.
Der Verrohung des Menschen ist die Sensibilisierung der Selbstwahrnehmung und Weckung des eigenen Gespürs und der Sinne entgegenzusetzen. Der Weg ist die Selbsterkenntnis, das Ziel die Sinnerkenntnis. Jede Form der Erkenntnis ist von der Selbsterkenntnis abhängig. Die Selbsterkenntnis ist nicht, das Selbst zu erkennen, sondern sich selbst zu kennen. Zwei Thesen bringen das Anliegen von herzsichtig auf den Punkt. Die erste These gilt der Selbsterkenntnis: Kein Selbsterkennen, ohne das Herz zu kennen – keine Selbstkenntnis ohne die Herzkenntnis. Die Kardiognosie beschreibt jene Herzenskenntnis, Herzensschau im Sinne der Menschenkenntnis, als Basis zur Menschlichkeit. Die zweite These betrifft die Sinnerkenntnis: Kein Sinnerkennen, ohne den Herzsinn zu kennen! Der Herzsinn ist der Sinn für das Ganze, der Sinn für die Mitte und das Zentrische, der Sinn für die Fülle, der Sinn für die Liebe.
herzsichtig sensibilisiert für die
- Logik des Symbols (Symbologie)
- Logik des Leibes (Psychosomatik)
- Logik der Ganzheit
- Logik der Beziehung (Dialogik)
- Logik der Liebe (Schöpfung)
Was bedeutet herzsichtig sein?
- Fähigkeit das Herz-Symbol in der Natur und im Alltag pulsieren zu sehen
- Fähigkeit das eigene Herz im Leibe wahrzunehmen und zu spüren
- Fähigkeit Dinge ganzheitlich zu erfassen
- Fähigkeit auf intuitive und mystische Weise das Herz der Dinge zu sehen
- Fähigkeit das Herz des Universums pulsieren zu sehen
herzsichtig sein erwächst aus der…
1. Fähigkeit das Herzsymbol in der Natur und im Alltag pulsieren zu sehen. Eine Dokumentation zur Natur des Herzsymbols befindet sich in der Galerie Amorisation.
SEHEN und staunen: Und das Sehen wird zum Schauen.
2. Fähigkeit sein eigenes Herz leiblich zu spüren und dessen resonierender Kraft gewahr zu sein; Fähigkeit das eigene Herz (=die Brustgegend) zu fühlen und seine Regungen als Reaktionen leiblich wahrnehmen zu können, Gedanken und Gefühle bzw. ihre Qualität leiblich wahrzunehmen, Dinge leiblich zu erfassen.
TASTEN und mit Fingerspitzen fühlen: Und das Tasten wird zum Ergreifen und Ergriffen-Sein.
3. Fähigkeit Dinge ganzheitlich zu erfassen, den Blick für das Einzelne und Ganze sowie das Viele und das Eine zu haben.
RIECHEN und sich Etwas unter die Haut gehen lassen: Und das Riechen wird zum Aufnehmen, zur Auffassungsgabe.
4. Fähigkeit intuitiv das Herz der Dinge zu sehen und mit dem Kern, dem Innersten in Beziehung zu treten. Hier geht das dialogische Seinsverständnis in die Verbindung über und ermöglicht wortlose Kommunikation des eigenen Herzens mit anderen Herzen.
HÖREN und Stille werden: Und das Hören wird zum Horchen.
5. Fähigkeit das Herz des Universums pulsieren zu sehen; Fähigkeit das Geschenk der universellen Liebe zu empfangen, mit dem Herzen des Alls verbunden zu sein.
SCHMECKEN und weise werden (lat. ›sapere‹ bedeutet ›schmecken‹ und ›weise sein‹ zugleich): Und das Schmecken wird zur Öffnung und Hingabe schlechthin.
Die Ausführungen zur Vielfalt der Sinne sind auch Gedanken von Pierre Teilhard de Chardin (Das Herz der Materie) und Niklaus Brantschen (Das Viele und das Eine) entlehnt. Anklänge zur Lobpreisung der Sinnesvielfalt und zum Sinn der Sinne sind bei beiden Denkern unüberhörbar.
Diesen Überlegungen, dem Versuch für etwas zu sensibilisieren und etwas fassbar zu machen, was sich nie gänzlich fassen lassen wird, geht eine Geschichte voraus. Meine Philosophische Reise – Von Herzsichtig zu Vollherzig erzählt einen Teil dieser Geschichte.
Zur Vertiefung
Galerie Amorisation
Fotografien / Ilknur Özen 2007-2012
Galerie Herzgeometrie
Zur Erforschung des Herzsymbols
Das Herz – Die Symbolik des Zeichens
Artikel: Ergebnisse einer Symbolforschung
herzsichtig?!
Anthologie / Ilknur Özen, Elena Fischer (Hgg.) 2014
Zur Philosophie des Herzens
Fachbuch / Ilknur Özen 2012
Artikel zum Thema Herzensbildung
Fachbeiträge und Denkanstösse