»Die Philosophie des 21. Jahrhunderts wird die des Herzens oder überhaupt nicht sein.«

Mit meinem Buch Philosophie des Herzens erzähle ich eine philosophisch-wissenschaftliche Geschichte des Herzens. Die interdisziplinäre Studie widmet sich einem Thema, dessen Bedeutung sich über alle Seinsbereiche des Menschen erstreckt und das aus einem ganzheitlichen (Selbst- und Seins-) Verständnis nicht wegzudenken ist. Die existenzielle Relevanz des Herzens sowie dessen erkenntnistheoretische, ethische und ästhetische Implikationen werden vor dem Hintergrund der Dialogischen Philosophie beleuchtet, welche sich als »philosophia cordis« definieren lässt.

Die Aussagen einer Egologik, Dialogik sowie Herzenslogik stellen die Frage nach der Logik grundsätzlich auf den Kopf: Es bedarf einer integrationsfähigen Logik, die imstande ist, die religionsphilosophischen, phänomenologischen und naturwissenschaftlichen Perspektiven auf das Herz gleichermaßen zu beachten und ihre Synthese zu erkennen.

Zur Grundlage dieser Herzforschung dienen sowohl autobiografische Schriften wie die Bekenntnisse von Augustinus, Teilhard de Chardin und Pascal als auch Dokumentationen wissenschaftlicher Errungenschaften wie der Neuen Phänomenologie, Neurobiologie, Sozialen Neurobiologie, Neurokardiologie und Forschungsergebnisse des Institute of HeartMath, das auf praktische Weise den Begriff der Herzintelligenz prägt.

Es ist möglich über den Zugang des Herzens Geistes- und Naturwissenschaft gemeinsam zu denken bzw. Spiritualität und Materialität gleichzeitig zu leben. Die appellhafte Forderung ist ein neues Denken, ein Herzdenken, dem eine Philosophie des Herzens gewachsen ist.

Das Herz ist aus einem ganzheitlichen (Selbst- und Seins-) Verständnis nicht wegzudenken.

Philosophen des vergangenen Jahrhunderts, insbesondere Phänomenologen, Existenzphilosophen und Dialogiker, haben vielfach ein radikales Umdenken gefordert und den Riss im Denken und im Seinsverständnis des Menschen hervorgehoben. Das Phänomen des Herzens ist in diesem Riss verschwunden; im Denken existiert das Herz fast nur noch als ein Pumpmuskel: Kardiologie, die moderne abendländische Lehre vom Herzen, ist beschränkt auf das Studium eines zergliederten und austauschbaren Körperorgans. Das Herz leidet Not. Das lateinische Wort discordia (Herzzerrissenheit) dient vortrefflich der Zustandsbeschreibung, während das Ausbleiben von concordia (Herzeinigkeit) ein kennzeichnender Zustand für unseren Zeitgeist ist. Meines Erachtens nach geht die Thematisierung der brüchigen Denk- und Seinsweise unweigerlich mit der Thematisierung des Herzens einher.

Die Erneuerung des Denkens kommt am Herz-Thema nicht vorbei.

Der Fehler im Denken liegt nicht darin, dass das Geteilte und im einzelnen Betrachtete losgelöst vom Gesamtzusammenhang gesehen wird, sondern an der Versäumnis, es wieder im Ganzen zu sehen. Daraus ergeben sich Folgefehler; Spaltungen und Risse vermehren sich. Das Denken ist vom Fühlen abgeschnitten, und der Mensch ist sich den Konsequenzen dieser Spaltung nicht bewusst. Seine Selbst-Wahrnehmung ist fragmentarisch, das Gespür verkommen, der Sinn wie verloren gegangen. Das Einzelne und gleichzeitig das Ganze im Blickfeld zu haben ist eine Sache der Handwerklichkeit, die erlernt werden muss. Das Herz leidet Not und die Not der Notwendigkeit führt zu einer erweiterten Sichtweise und feinsinnigen Denkart.

»Neues Denken« (Franz Rosenzweig) ist Herzdenken; hat eine dialogische Grundstruktur und ist ganzheitlich — am ganzen Menschen, an der Liebe zur Ganzheit — orientiert. Das dialogische Denken entspringt dem Seinsverständnis, dass alles Seiende unmittelbar miteinander verbunden ist, zueinander in Beziehung steht und dass Sein immer das Mit-Sein, folglich das Miteinander-Sein impliziert. Die Scheidung dieser Urgegebenheit findet ihren Vollzug in der Ich-Logik und der Logozentrik sowie in der Beziehungslosigkeit.

Eine Wissenschaft des Herzens ist die neue vernetzte Wissenschaft vom Menschen; sie muss einer ganzheitlichen Denkweise und einer dialogischen Seinsweise gerecht werden, wenn tatsächlich etwas Neues erbracht sein will. Sie muss in der Lage sein, die vergessene und unterschätzte Leiblichkeit, Sprachlichkeit und Zeitlichkeit des Menschen in ihr anthropologisches Konzept zu integrieren und ebenso vermögend sein, Lösungsansätze zu dem von den Dialogikern formulierten degenerativen Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen und der Natur zu liefern. Auch darf sie nicht einer Spaltung zwischen erkenntnistheoretischen und ethischen Belangen wie auch zwischen physiologistischen und psychologistischen Positionen erliegen.

Vorstellung der ersten drei Kapitel aus Philosophie des Herzens,
Traugott Bautz Verlag, Nordhausen 2012

Das Herz aus naturwissenschaftlicher Sicht

Das Herz aus phänomenologischer Sicht

Das Herz aus religionsphilosophischer Sicht

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  • Vorwort
  • Einleitung: Phänomen Herz und Phänomen des Herzens
  • 1. Das Herz aus religionsphilosophischer Sicht
    – eine Philosophia Cordis
  • 1.1 Das Herz bei Aurelius Augustinus
    • 1.1.1 Das Herz als Organ der Liebe
    • 1.1.2 Rückkehr ins Herz – redire ad cor
    • 1.1.3 Die Vielfalt und Bedeutung der Herz-Worte
  • 1.2 Das Herz bei Pierre Teilhard de Chardin
    • 1.2.1 Herzsinn
    • 1.2.2 Evolution und Hominisation
    • 1.2.3 Amorisation
  • 1.3 Selbsterkenntnis, Welterkenntnis und Gotteserkenntnis
  • 2. Das Herz aus phänomenologischer Sicht
    – ein interdisziplinärer Kulturvergleich

    • 2.1 Neue Phänomenologie als Methode
    • 2.2 Leib und Einleibung
    • 2.3 Herz und Leib im interkulturellen Vergleich
    • 2.4 Das Herz als Mitte und Zentrum
    • 2.5 Kopf, Herz und Bauch
  • 3. Das Herz aus (natur-)wissenschaftlicher Sicht
    – von Hirnforschung zu Herz-Hirn-Forschung

    • 3.1 Dialogik versus Egologik
    • 3.2 Das Gehirn – Neurobiologie
    • 3.3 Das soziale Gehirn – Soziale Neurobiologie
    • 3.4 Das Herzgehirn – Neurokardiologie
    • 3.5 Wiederentdeckung des Herzens
  • 4. Herzintelligenz
    – eine Institution des Herzens im Einsatz

    • 4.1 Institute of HeartMath
    • 4.2 Methoden zur Förderung der Herzintelligenz
    • 4.3 Studien zur Herzintelligenz
    • 4.4 Einsatzbereiche der Herzintelligenz-Methoden
    • 4.5 Philosophische Reflexion
  • Schlusswort: Neues Denken – Herzdenken
  • Bibliografie
  • Personenregister

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