Die Urban Art Szene ist in den letzten Jahren drastisch gewachsen und hat mittlerweile eine eigene Strömung der Kunst gebildet. Urban Art ist eine interessante Mischung aus urbanem Lebensstil und Street Art. Im Vergleich zu Street Art findet Urban Art nicht zwangsläufig im öffentlichen Raum statt und entzieht sich somit der Kritik des Vandalismus. Die Abgrenzung von Urban Art und Street Art gelingt nicht immer, da auch mittlerweile Street Art nicht nur auf der Straße, sondern auch in Galerien und Museen zu finden ist.
Werke von Aktivisten der Streetart-Szene wie beispielsweise BANKSY und OBEY werden mittlerweile zu hochdotierten Preisen verkauft. Der Charme dieser rauhen und plakativen Kunst in der Gesellschaftsmitte angekommen. Als kulturelles Phänomen reflektiert diese Kunstform das Bedürfnis nach trashiger, moderner und junger Kunst. Im Folgenden ein historischer Abriss der Ursprünge und der Entwicklung von Streetart – auf den Spuren einer urbanen Szene.
Graffiti – Wurzeln der Street Art
Die Wurzeln von Street Art sind in der Graffitibewegung der 70er Jahre in New York zu verorten. Das Wort Graffiti ist von dem italienischen Wort Graffito abgeleitet und bezieht sich auf Jahrtausende alte Wandmalereien. Graffiti entwickelte sich zu einer Subkultur, in der es vorrangig um die Anerkennung in der Peer-Group (Gruppe von Menschen mit gleichen sozialen Interessen) durch illegales und gefährliches Bemalen von öffentlichen Wänden oder Zügen ging. Graffiti ist somit ein Weg für junge Männer (Frauenanteil liegt bei 0,67%), ihre »Männlichkeit« zu beweisen ohne physische Gewalt. Damit der Name in Form eines Tags (stilisierte Unterschrift eines synonymen Namens an Häuserwänden und Zügen) durch die ganze Stadt fahren kann, sind Züge die bis heute bevorzugte Fläche.
In der Graffiti-Blütezeit der 80er Jahre gelang nur wenigen Graffiti-Writern die Etablierung im Kunstfeld. Sie scheiterten wegen ihrer sozialen Herkunft aus den niederen US-amerikanischen Gesellschaftsklassen und an dem Mangel kunsthistorischen Wissens. Seit dem Jahr 2000 erfährt Graffiti ein Comeback. Es gibt vermehrt Writer, die freie Kunst, Grafikdesign und Illustration studieren oder studiert haben. Viele streben eine Karriere im Kunstfeld an und wissen, wie diese Branche funktioniert, so dass die Zusammenarbeit zwischen den Graffiti-Künstlern und den Galeristen heute besser gelingt.
Smiling Not Allowed by DENKSTAHL
Frühe Entwicklung von Street-Art
In den 80er Jahren kam in Frankreich eine Bewegung auf, die das sogenannte Pochoir (franz. Schablonengraffiti) prägte. Einer der Hauptakteure, genannt BLEK LE RAT, verhalf der Pochoir-Technik zu Bekanntheit und gilt somit als Pionier für die Schablonen-Street-Art. Die Schablonentechnik lernte BLEK LE RAT bei einer Italienreise kennen, als er ein aus dem II. Weltkrieg stammendes gesprühtes Mussolini-Porträt entdeckte. In Los Angeles startete der amerikanische Street-Art-Künstler SHEPARD FAIREY 1989 einen Feldzug durch die Straßen mit einem markanten Porträt einer Wrestlerfigur und dem Wort OBEY (engl. hörig). Dieses reproduzierte er zigmal und brachte es in sämtlichen Großstädten der Welt wie eine Werbekampagne an.
Der bekannte Street-Art-Künstler BANKSY bedient sich ebenfalls der Schablonentechnik (laut BLEK LE RAT auch seiner Ratten-, Panzer- und Soldatenmotive). Anfang der 90er erreichte BANKSY internationale Bekanntheit, insbesondere durch seine skandalösen Aktionen wie das Anbringen seiner Kunstwerke in öffentlichen Museen oder dem Sprayen eines politischen Motives an einem besonderen Ort. 2007 ging er in die Geschichte ein, indem er ein Bild für 150.000 € in dem renommierten Aktionshaus Sotheby’s versteigerte. Noch nie zuvor wurde ein Graffiti oder Street-Art-Bild für eine vergleichbare Summe verkauft.
All Trash by DENKSTAHL
Dem Herzen wohl zu dienen by DENKSTAHL
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Street-Art 2000
Im Gegensatz zu Graffiti, in dem das hauptsächliche Ziel die Verbreitung eines Namens war, ist Street-Art facettenreicher und erhebt den Anspruch von Kreativität, Innovation sowie qualitativer Umsetzung. Die Arbeiten sollten von einer größeren Gruppe gesehen und akzeptiert werden. Während Graffiti in den Zeitungen hauptsächlich unter Vandalismus erscheint, wird Street-Art vermehrt im Kunstkontext angesiedelt. Mittlerweile haben sich die Namen D*FACE, IFLUENZA, INVADER, SOLO ONE, GRIM (um nur einige zu nennen) seit dem Jahr 2000 in der Street-Art-Szene etabliert. Es handelt sich um eine untereinander global vernetzte Szene, die gemeinsame Projekte und Ausstellungen auf der ganzen Welt realisiert. Ab 2005 hat sich der Begriff Street-Art im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt.
Der aktuell gängige Begriff von Street-Art lässt sich bei genauerer Betrachtung in unterschiedliche Strömungen und Aussagen aufgliedern. Allen gemeinsam ist, dass die Straße und der urbane Raum als Ausdrucksraum genutzt werden. Sowohl in der Motivwahl, dem gestalterischen Anspruch, der Aussage als auch in den kommerziellen Hintergründen unterscheiden sich die Street-Art-Akteure drastisch. Die meisten dieser Akteure sind Kunsthochschulstudenten oder -absolventen, sie bringen viel Technik mit und streben vor allem nach der Anerkennung in der Kunstwelt, was wiederrum von anderen aus der Szene als unfrei und karrieregeleitet bewertet wird. Diese grenzen sich von dem Interesse der Kunstwelt und den Galeristen ab. Innerhalb der Szene ist die Etikettierung Street-Art umstritten, da sie nicht für alle auf der Straße vorkommenden Werke zutreffe und nicht jede Arbeit, die auf der Straße zu finden sei, dem Anspruch von Kunst genüge. Einige äußern Bedenken, ob das, was unter Street-Art subsummiert wird, überhaupt als Kunst zu bezeichnen ist.
Copyright Is For Losers by DENKSTAHL
Street-Art und Kommerz
Eine aktuell geführte Debatte der Street-Art-Szene ist die Kommerzialisierung von Street-Art durch den Gebrauch dieser Kommunikationsform für Vermarktungszwecke von Unternehmen wie NIKE, DIESEL, BILD, CARHARTT, EASTPACK und MTV. Einerseits enthalten die Motive und Themen der Street-Art-Künstler oftmals systemkritische antikapitalistische Ansätze, andererseits weist die Art der Inszenierung, der plakative Charakter sowie die Art der Wiederholung einzelner Motive Gemeinsamkeiten mit kommerzieller Werbung auf.
Street-Art wurde als subkulturelles wirtschaftliches Kapital entdeckt, und durch gezieltes Firmensponsoring wurden etliche Ausstellungen und Veranstaltungen finanziert. Zudem stellten Firmen wie BOXFRESH, ECKO UNLTD, LEVI´S und PUMA Aktivisten ein, die im Street-Art-Style Schablonen und Aufkleber unmittelbar neben Street-Art Werken platzierten. Diese Vermischung systemkritischer, einst im Untergrund und gegen das vorherrschende Establishment rebellierender Kunstform mit der gesellschaftsfähigen Vermarktung als urbane trendige Subkultur schaffte es zwar in den Kunstgalerien und Museen anerkannt und zu teilweise hohen Preisen gehandelt zu werden, trotzdem machen es die Überschneidungen mit der Werbung schwer, im Kunstfeld Ansehen zu erlangen. Hat ein Street-Art-Künstler Erfolg auf dem Kunstmarkt, sind Straßenarbeiten meist nur noch vereinzelt zu sehen.
Alle Vögel sind schon da by DENKSTAHL
Als Ideal sollte Kunst frei von wirtschaftlichen Interessen und Einflüssen und den damit einhergehenden Fesseln der Konformität und Verkaufbarkeit sein. Trotzdem leben Künstler in einer Welt, in der das Geld für das alltägliche Überleben notwendig ist. Es darf prinzipiell nicht falsch sein, wenn ein Künstler Geld für seine Kunst bekommt und damit sein Leben finanziert. Diese Problematik ergibt sich aus den Umständen, dass die Künstler Teil des zu kritisierenden Systems sind. Ob diese Schwelle der Integrität eines Künstlers dann überschritten ist, wenn er offensichtlich mit Firmen kooperiert, die für Konsum und Kapitalismus und somit für Ausbeutung und Ungerechtigkeit stehen, und ob er diese Inhalte mit den Aussagen seiner Kunst vereinbaren kann, muss am Ende wohl jeder mit seinem Gewissen ausmachen. Im besten Falle ist Kunst uneigennützig und interesselos, im Sinne der Unabhängigkeit von externen Aufträgen oder wirtschaftlichen Zielen.
NORA
Kunstberatung & -management,
MSc Psychology
Quellen:
» Wall and Piece
Banksy. London 2006
» Street Art. Die Stadt als Spielplatz
Daniela Krause & Christian Heinicke. Berlin 2010
» Street Art New York
Jaime Rojo & Steven P. Harrington. München 2010
» Street Art. Eine Subkultur zwischen Kunst & Kommerz
Julia Reinecke. Bielefeld 2012
» Banksy You Are an Acceptable Level of Threat …
Patrick Potter & Gari Shove. Darlington, Co Durham 2012